Die Pädagogische Hochschule Bern (PH Bern) bildet nicht nur junge Lehrpersonen für die Schulen aus. Sie betreibt auch ganz viel Forschung um herauszufinden, wie Schule am besten funktioniert. Unter anderem auch an der csbern.
Seit Oktober 2017 hat die PH Bern ein vom Schweizerischen Nationalfonds unterstütztes Forschungsprojekt mit dem Titel „Führung zur Selbstführung“ am Laufen. Wir haben Judith Hangartner, einer der beiden Forscherinnen, ein paar Fragen gestellt:
Was wird konkret mit der laufenden Studie untersucht?
Unser Team forscht zur Frage, wie ein schulischer Unterricht, der vermehrt auf die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler setzt, sich als soziales Geschehen verändert. Wir beobachten, wie Lehrpersonen in selbständigkeitsorientierten Unterrichtssettings die Klasse führen bzw. die Schülerinnen und Schüler anleiten und wie die SchülerInnen ihr Tun organisieren. Mit diesem Fokus beobachten wir regelmässig Unterrichtssequenzen, nehmen an Coachings sowie an Teamsitzungen und Entwicklungsanlässen teil. Die Forschung an der csbern ist eine von fünf Fallstudien an drei öffentlichen und zwei privaten Schulen. Das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Projekt dauert vier Jahre.
Was spricht aus Ihrer Sicht am stärksten für individualisierten Unterricht?
Die Individualisierung des Unterrichts ist eine relativ alte Idee zur Reform der Schule, die gegenwärtig Hochkonjunktur. Sie ist sowohl in den Lehrplan 21 wie in die aktuellen Lehrmittel eingeflossen ist. Im individualisierten Unterricht sollen Kinder mitbestimmen können, was, wie, wann, wo und mit wem sie lernen. Mit der Individualisierung sind zahlreiche Ziele und Hoffnungen verknüpft:
- Der Unterricht soll besser auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Kinder abgestimmt sein.
- Die Kinder sollen selbständiger werden und im Hinblick auf die Anforderungen des lebenslangen Lernens das „Lernen erlernen“.
- Die Individualisierung soll die schulischen Leistungen generell erhöhen und gleichzeitig für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Diese Ziele sind hochgesteckt und zum Teil auch widersprüchlich. Man muss sich fragen, ob und wie unter den gegebenen Bedingungen Schulen diesen Zielen gerecht werden und die Hoffnungen erfüllen können. Lehrpersonen müssen zum Beispiel nach wie vor Klassen betreuen und unterrichten. Uns interessiert deshalb, unterschiedliche Ansätze zu sehen, wie Schulen mit dieser Forderung nach Individualisierung umgehen und welche Erfahrungen sie damit machen.
Was hat Sie an der csbern am meisten überrascht?
Dass die Schülerinnen und Schüler selbst bestimmen, wann sie einen Test machen wollen. Weiter ist mir ist die familiäre Atmosphäre aufgefallen und dass ältere Schüler sich liebevoll um jüngere kümmern.
Wie beurteilen Sie den Entwicklungsstand der csbern in Bezug auf den individualisierten Unterricht?
Das Team der csbern zeigt viel Engagement für die Unterrichtsentwicklung und hat die Unterrichtsorganisation zu Beginn dieses Schuljahrs weiter individualisiert. Inzwischen sind die Schülerinnen und Schüler weitgehend individuell unterwegs und bearbeiten den Schulstoff in ihrem eigenen Rhythmus. Die Gruppen in den Lernbüros sind klein, so dass die Lehrpersonen die einzelnen Schülerinnen und Schüler individuell unterstützen können. Zudem leisten sie eine intensive Begleitung durch regelmässiges Coaching.