Müssen Jugendliche lernen früh aufzustehen?

Ein kürzlich ausgestrahlter Beitrag in der Newssendung 10 vor 10 im Schweizer Fernsehen berichtet über eine Schule, deren Schulglocke am Morgen später zum Unterrichtsbeginn läutet und ihre Schüler/innen länger schlafen lässt (Link zum Beitrag). Auslöser dafür ist die Erkenntnis aus der Schlafforschung, dass sich der Chronotyp[1] von Jugendlichen verändert und sie am frühen morgen oft noch müde sind.

Die Schlafexpertin Joëlle Albrecht von der Uni Zürich erklärt im Beitrag, dass sich der Schlafrhythmus über die ganze Lebenszeit verändert. Eine starke Veränderung erfolgt in der Pubertät. Die Jugendlichen schlafen abends später ein und müssten am Morgen länger schlafen können, um wirklich fit und lernbereit zu sein. Diese Erkenntnis ist nicht neu und hat uns von der csbern schon vor sechs Jahren dazu bewogen, die erste Lektion zu streichen und den Schulstart für alle auf 08:45 Uhr festzulegen. Die «verlorene» Lektion wird an anderen Stellen im Stundenplan untergebracht. So kommen die Schüler/innen nach wie vor auf die vom Lehrplan 21 geforderten Lektionen.

Trotz klarer wissenschaftlicher Erkenntnis hapert es an der Umsetzung bzw. an der breiten Akzeptanz, dass insbesondere Jugendlichen ein späterer Schulbeginn helfen würde, besser zu lernen. So meint zum Beispiel Thomas Minder (Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter der Schweiz) sinngemäss, dass die Schüler/innen das Frühaufstehen in der Schulzeit lernen müssten, um später in der Berufswelt bestehen zu können. Kann oder muss man also das Frühaufstehen in der Schule lernen als Vorbereitung auf die Berufswelt? Ein ähnliches Argument hören wir auch immer wieder in Bezug auf den Leistungsdruck in der Schule. Müssen Kinder und Jugendliche bereits in der Schule mit grossem Leistungsdruck umgehen können, um später im Berufsleben erfolgreich zu sein?

In beiden Fällen sagen wir und auch die Wissenschaft klar nein. Dass sich der Schlafrhythmus bei Jugendlichen verändert, haben wir im Beitrag von 10 vor 10 gehört. Die Schlafexpertin im Beitrag sagt weiter, dass man das Frühaufstehen nicht lernen könne. Zeitlebens haben wir unseren Chronotyp, dem wir uns am besten anpassen. Wer kein Frühaufsteher ist, sollte auch nicht unbedingt Bäcker werden.

In Bezug auf den Leistungsdruck zeigen aktuelle Zahlen, dass immer mehr Schüler/innen unter zu hohem Druck in der Schule leiden. Zu Schaden kommen die Psyche, die intrinsische Motivation und schliesslich die Leistungen. Die Schulzeit ist da, damit Kinder und Jugendliche Bewältigungsstrategien erlernen können, um mit Druck umzugehen.

Damit der Druck an der csbern nicht zu gross wird helfen ein vertrauensvolles Lernklima, individuelle Zielsetzungen sowie Coaching und Begleitung durch die Lehrpersonen und Eltern. Dadurch können wir die Schüler/innen vor übermässigem und ungesundem Druck schützen und ihre Resilienz steigern. Bereits ins dritte Jahr geht übrigens unser Resilienzprogramm für Schüler/innen. Mehr dazu im folgenden Beitrag.

 

 

[1] Als Chronotypen werden in der Chronobiologie die Kategorien von Menschen bezeichnet, die aufgrund der inneren biologischen Uhr (Tag/Nacht) physische Merkmale wie z. B. Hormonspiegel, Körpertemperatur, Schlaf- und Wachphasen, Leistungsvermögen zu unterschiedlichen Tageszeiten in unterschiedlicher Ausprägung besitzen.